Coronoia: Ein Hoch auf die Spinner!

Irgendwie hat einer meiner „Bloggerkollegen“ einen Satz in diesem Beitrag falsch verstanden. Ich wollte eher die bislang schweigenden, insgeheim kritisch Denkenden dazu ermutigen, ihren Maulkorb abzulegen und sich politisch zu positionieren. Dies brachte mir dann drei deutlich unter der Gürtellinie platzierte Tiefschläge ein (von denen ich den dritten gar nicht mehr veröffentlicht habe). Ich habe mir heute auf meiner Runde viele Gedanken darüber gemacht, was einen Menschen dazu treibt, einen anderen in dessen Blog in der Weise persönlich zu attackieren? Ich habe leider keine Erklärung gefunden, die über das Ergebnis meiner bisherigen (lebenslangen) Analysen hinausgeht. In Deutschland mangelte es schon immer an einer sachlichen Gesprächskultur; stattdessen wird bei jeder Diskussion munter die ad-hominem– oder ad-personam-Keule geschwungen.

Dass die etablierten Massenmedien angesichts der trotz aller Bemühungen einfach nicht mundtot zu kriegenden Alternativen im Netz so langsam die Nerven verlieren, offenbarte sich vor allem anhand des im gestrigen Beitrag behandelten Kommentars von Rainald Becker. Die Heftigkeit, mit der derzeit aus allen Rohren gegen vermeintliche „Verschwörungstheoretiker“, Spinner, Wirrköpfe und „Corona-Leugner“ geballert wird, ist atemberaubend.

Dies spiegelt sich dann letzten Endes auch in persönlichen „Unterhaltungen“ wie jener von heute Vormittag wider, im Rahmen derer ein bislang geschätzter Kollege seine Meinung kundtat, dass ich glücklicherweise nur eine Minderheitsmeinung vertreten würde und ich – festhalten – den Verstand verloren habe! Abschließend werde ich als Verschwörungstheoretiker bezeichnet, der nicht merke, dass er abdrifte. Gekrönt wird diese allein auf mich als Person abzielende Diffamierung mit dem abschließenden Satz:

Den Rest den Du in letzter Zeit schreibst, halte ich für brandgefährlich für die Gemeinschaft.

Wow! Das muss man erst einmal sacken lassen. Ich bzw. meine Texte sind brandgefährlich für die Gemeinschaft. Warum? Das sagt er nicht. Er attackiert in zwei Kommentaren (die nebenbei komplett am Thema des Beitrags vorbeigehen) einfach nur meine ihm politisch nicht passende Persönlichkeit. Ich bin also ein „gefährlicher“ Spinner / Wirrkopf, der „Verschwörungstheorien“ verbreite.

Spinner – und stolz drauf!

Meinetwegen! Gebt mir Tiernamen! Ich war schon immer gerne ein Spinner. Wenn ich kein Spinner wäre, würde es bspw. auch diesen Blog nicht geben. Ich hätte damals nach der Schule all meinen inneren Widerstand heruntergeschluckt, hätte mich an all das angepasst, was mir schon in meiner Kindheit und Jugend an den Erwachsenen gestunken hat, wäre ein fleißiger, unkritischer, unterwürfiger Angestellter, IT-ler, Beamter oder Kommunalpolitiker geworden – und könnte (mich wegen meiner Schönwetterfahrten mit dem Rad ins Büro für „alternativ“ haltend) nun finanziell gut versorgt aus dem „Home-Office“ heraus die Sorgen und Nöte der vom Absturz in die völlige Armut bedrohten unteren Mittelschicht genauso ignorieren, wie ich das schon die letzten 15 bis 20 Jahre getan hätte. Wenn die sich abzeichnende Inflation dann doch auch mein gesamtes, hart erarbeitetes Vermögen und meine kapitalgedeckte Riester-Rente in Luft auflöst – so what? Alles easy! Always look on the bright side of life!

Aber ich bin ja glücklicherweise ein Spinner. Und Spinner kommen – vor allem, wenn sie aus einem weniger privilegierten Hause entspringen – in diesem System nur sehr selten groß raus. In meiner ersten Lehre in einer IT-Firma wurde ich bspw. allen Ernstes durch den Ausbilder herausgeekelt, weil den Chefs meine (unangepasste) Klamottenwahl nicht passte. Dies nur als Beispiel für die zahlreichen Zwänge zur Anpassung, die viele gar nicht (mehr) wahrnehmen oder sich ihnen völlig widerstandslos unterwerfen, weil sie ansonsten nicht weiterkämen. Ich lief in meinem Leben an unzähligen Gesslerhüten vorbei. Und ich weigerte mich – der Konsequenzen stets bewusst seiend – nahezu immer, diese zu grüßen.

Fremdwahrnehmung

Die ganzen Autofahrer aus der Gegend halten den doch auch für einen total bemitleidenswerten Spinner – wenn er das ganze Jahr über, bei Regen, Schnee, Wind, Hitze und Kälte mit dem Rad durch die Gegend fährt. Und dann die ganzen anderen Sachen, denen er sich verweigert, wie z. B. die Ausstellung einer „elektronischen Gesundheitskarte“. Und dann vertritt der Spinner auch noch die verschwörungstheoretische Ansicht, dass der Kapitalismus eine mit Blut geölte Maschine sei, welche Menschen frisst, um Gold zu scheißen. Damals in der Schule hat er sogar gewagt, die Behauptungen der Lehrer infrage zustellen und mit diesen zu diskutieren. Er hat sogar in seinen Aufsätzen eine politisch diametral zu der seines Lehrers stehende Ansicht vertreten. In seinem sogenannten Ausbildungsbetrieb hat er es sich nicht widerstandsfrei gefallen lassen, als unterbezahlte Hilfskraft missbraucht zu werden. An der staatlichen FH sah er es nicht ein, sich acht Stunden am Tag Stoff in die Rübe zu hämmern, obwohl er hinterher für die Arbeit im Amt nur 1/4 davon benötigen würde.

Der Blog eines Spinners

Verzeihung, ich schweife ab. Diesen inzwischen kurz vor dem 1000. Beitrag stehenden Blog würde es ohne den diesen betreibenden Spinner nicht geben. Warum überhaupt sollte jemand gerade in einer Stadt, in der der Radverkehrsanteil bei unter 1 % liegt über sowas wie das Thema Radverkehr bloggen? Der kann doch nicht ganz klar im Kopf sein. Und warum tut der Spinner sich das überhaupt nun schon seit rund 5 Jahren an?

Er investiert unheimlich viel Zeit, Arbeit und damit indirekt auch Geld, um

  • sich mit unzähligen Behörden, von der kleinen Gemeindeverwaltung bis hinauf ins BMVI anzulegen,
  • zu bislang kaum bekannten Hintergründen in Sachen Verkehrs- und Straßenrecht zu recherchieren,
  • anderen Radfahrern die Nutzung gemeingefährlicher Radwege oder die darauf basierenden Haftungsrisiken zu ersparen,
  • dafür zu sorgen, dass man im Winter entlang einer wichtigen, alternativlosen Bundesstraße überhaupt sicher Rad fahren kann,
  • Radfahrer über den Irrglauben, Radwege seien sicher oder Radhelme seien notwendig, aufzuklären,
  • ständig zu persönlichen Gesprächen mit Bürgermeistern, Landräten, Verkehrsministern und Verwaltungsbeamten zu fahren,
  • die teils mangelhaften und tendenziösen Unfallberichte der Polizei zu überprüfen und anhand dieser die zuständigen Behörden auf Mängel hinzuweisen,
  • dafür zu sorgen, dass ausgeschilderte Radrouten oder Feld- und Waldwege allgemein legal mit dem Rad befahren werden dürfen und
  • noch Vieles andere mehr.

Und was erntet er dafür? Im Grunde: nichts. Kaum Kommentare, kaum Dank, kaum Spenden, keine Sponsoren, keine Kooperationen, keine Erwähnungen in den Medien oder anderen Blogs, kaum aktive oder passive Unterstützung, kaum Solidarität. Stattdessen wird er vom Rest der „Szene“ gezielt ausgegrenzt; siehe hierzu auch das Verhalten eines Bloggers aus der Nachbarstadt.

So einer kann nur ein Spinner sein. Der ja nebenbei auch ganz ungeniert im Bereich Radverkehr ständig munter völlig abstruse Verschwörungstheorien aufstellt; wie zum Beispiel,

  • dass das BMVI und das MWVLW sich verschworen hätten, um auch in Zukunft Radfahrern keine ganzjährig sichere Alternative zur B 10 anbieten zu müssen oder
  • dass Verwaltungen sich ihnen wohlwollend verhaltende (z. B. die Sperrung der B 10 unterstützende) ADFC-Mitglieder halten, die sie priorisiert informieren und gerne zu Verkehrsschauen einladen, während sie den Kritiker mehr oder weniger zur persona non grata erklären oder
  • dass die ganzen Leute in den Behörden intern über ihn lachen und ihn als Idioten abstempeln würden.

Spinner-Engagement erwünscht?

Warum aber schreibt der diesen durchgeknallten Spinner Kritisierende vor seinem finalen Tiefschlag noch den folgenden Satz?

Viel Spaß noch mit dem Radverkehr, da schätze ich durchaus Deine Engagement.

Okay, das „durchaus“ ist durchaus schon fies. Aber warum schätzt(e) er hier mein Engagement? Ich vertrete doch auch in Sachen Radverkehr in meinem Blog nachweislich eine absolute Minderheitenmeinung. Ich stehe für nahezu Alles, was die derzeit die öffentliche Meinung beherrschende „Radverkehrsszene“ ablehnt – weil ich mich dafür einsetze, falsche Ängste zu bekämpfen und Radfahrer dazu anleiten will, auf der Fahrbahn zu fahren. Ich habe angesichts der regelmäßig darauf erfolgenden Reaktionen nicht selten den Eindruck, dass die andere Seite derartige Forderungen so versteht, dass ich sie – oder schlimmer: ihre Kinder – damit in den sicheren Tod schicken möchte. Was – im Hinblick auf die „Sicherheit“ von Radwegen – an bitterer Ironie leider nicht mehr zu überbieten ist.

Hier wären wir dann wieder bei der strukturellen Gemeinsamkeit mit der Coronoia angelangt: Menschen lassen sich aus (falscher, künstlich geschaffener) Angst ihre Freiheiten nehmen und sich im Gegenzug den allergrößten Unsinn (der „Mund-Nasen-Schutz“ ist quasi der Fahrradhelm fürs Gesicht) aufnötigen; ja sich sogar selber in Gefahr bringen.

Nun – was wird dieses elend lange Geschwurbel über gefährliche Radwege und unnütze Radhelme wohl nun bei einem (sich mit diesen Thematiken nie tiefschürfender befasst habenden) Menschen auslösen, der zwar meine Meinung teilt, dass Corona der größte Betrug der Menschheitsgeschichte ist? Genau – der wird sich denken: „was für’n Spinner“!

Macht ja nix, aus der Perspektiven der anderen sind wir sowieso noch nie etwas anderes gewesen!

Drift in Richtung 1984

Eins möchte ich abschließend noch klarstellen: Nicht ich bin es, der derzeit „abdriftet„! Diese „Gesellschaft“ – insbesondere deren bürgerliche Mitte – driftet schon seit mindestens 30 Jahren Neoliberalismus stetig in Richtung Abgrund. Ich stehe auf genau dem (noch einigermaßen) stabilen Felsen, auf dem ich schon mein ganzes Leben stehe – und beobachte von dort aus, wie um mich herum eben alles andere in einem immer größeren Tempo in Richtung eines totalitären, orwell’schen Überwachungsstaats abdriftet. Und das gefällt mir und vielen anderen „Spinnern“ überhaupt nicht. Und genau deshalb werde ich – auch wenn mich das viele Sympathien bei meinen ehemaligen Mitstreitern und Kommentatoren kosten mag – weiterhin in der Öffentlichkeit meinen regierungskritischen Standpunkt vertreten.

Was mir ebenfalls nicht gefällt, sind derart intolerante Kommentare wie die eines Andreas. Ich dulde so etwas hier in meinem Blog nicht – jeder, der mich oder andere auf diese Weise persönlich angreift, hat sein Recht dauerhaft verwirkt, hier seine Ansichten äußern zu dürfen.

3 Gedanken zu „Coronoia: Ein Hoch auf die Spinner!“

  1. Kein Rückzug! Kein Aufgeben!

    „Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.“

    – Jiddu Krishnamurti

    Gerade Freidenker haben es besonders schwer. Denn selbst vermeintlich Linke und/oder vermeintlich Rechte haben in ihren „Kreisen“ Tabus und Denkverbote. Wer als Freidenker diese auch nicht beachtet, wird bald von allen Seiten attackiert. Ich kenne das seit Jahren. „Denke positiv!“ „Sei nicht immer so kritisch!“ Bla Bla Bla. Ich bin nicht schuld, dass die Welt so ist, wie sie ist. Ich beschreibe sie nur! Aber wie sagte es Tucholsky so schön? In Deutschland werden nicht diejenigen verfolgt, die den Schmutz machen, sondern diejenigen, die auf ihn hinweisen! Assange, Snowden, Mollath etc. sind lebende Beispiele dafür.

    Insofern: bleib wie Du bist! Spätestens am Totenbett werden all die Konformisten, Ja-Sager und obrigkeitshörigen Arschkriecher sich fragen, wie authentisch und ehrlich sie eigentlich zu sich selbst waren?

    1. Freidenker hatten es schon immer schwer. Und werden es auch immer schwer haben.

      Assange, Snowden, Mollath etc. sind lebende Beispiele dafür.

      Exakt. Und es ist leider fraglich, ob Assange noch lange (über)leben wird. 🙁 Leider wurde deren Einsatz für Freiheit und Demokratie von den Massen nie in angemessener Weise gewürdigt; im Gegenteil. Und daher wundert es mich auch nicht, wie derzeit auf abweichende Meinungen reagiert wird. Zu diesen Massen will ich in den nächsten Tagen auch noch etwas schreiben; hierzu aus Gustave Le Bons bekanntem Werk Psychologie der Massen vorab ein Zitat:

      Die Hauptmerkmale des einzelnen in der Masse sind also: Schwinden der bewussten Persönlichkeit, Vorherrschaft des unbewussten Wesens, Leitung der Gedanken und Gefühle durch Beeinflussung und Übertragung in der gleichen Richtung, Neigung zur unverzüglichen Verwirklichung der eingeflößten Ideen. Der einzelne ist nicht mehr er selbst, er ist ein Automat geworden, dessen Betrieb sein Wille nicht mehr in Gewalt hat.

      Allein durch die Tatsache, Glied einer Masse zu sein, steigt der Mensch also mehrere Stufen von der Leiter der Kultur hinab. Als einzelner war er vielleicht ein gebildetes Individuum, in der Masse ist er ein Triebwesen, also ein Barbar. (…)

    2. Diese Zeilen hat Theodor Fontane im Stechlin dem Alten Fritz in den Mund gelegt.

      Es kann die Ehre dieser Welt dir keine Ehre geben.
      Was dich in Wahrheit hebt und hält muss in dir selber leben.
      Wenns deinem Innersten gebricht an echten Stolzes Stütze,
      ob dann die Welt dir Beifall spricht, ist all dir wenig nütze.
      Das flüchtige Lob, des Tages Ruhm magst du dem Eitlen gönnen.
      Dies aber sei dein Heiligtum: Vor dir bestehen können.

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